11. Folge

 Jürgen Brodwolf
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Abschied von Vogelbach

 

Arbeiten auf historischen Papieren von Jürgen Brodwolf. Leinenband mit Blindprägung, Fadenheftung, vierfarbiger Druck, 21,5 x 29,4 cm, 80 Seiten, signierte Edition, Erstausgabe. Auflage 230 Exemplare.

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In dem einleitenden Erinnerungstext blickt Jürgen Brodwolf  auf verwehte Jahrzehnte in seinem Vogelbacher Pfarrhaus zurück und versammelt eine Auswahl seiner Arbeiten auf historischen Papieren, die er auf dem Dachboden entdeckte. Auf alten Rechnungen, Aktenvermerken und Briefumschlägen sucht er antropomorphe Spuren und findet Menschenähnliches in Schrift und Zeichen.

Im Anschluss an die Bilder folgt der Essay Der Zeichner sucht das Zeichen: die Signatur des Humanen von Adolf Muschg, in dem dieser die Bilder verortet.

Von diesem Buch erscheint eine Vorzugsausgabe mit einer signierten Originalradierung, die der inzwischen 93jährige Künstler eigens für diese Edition geschaffen hat.  (siehe Abbildung) Diese Radierung wurde von Joschi Josephski von der Kupferplatte gedruckt und nach Vorgabe des Künstlers so ausgweichst, daß sich sehr viele unterschiedliche Varianten ergeben.

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Normalausgabe

130 Exemplare, von Jürgen Brodwolf auf dem eingebundenen Beiblatt signiert 

44,00 Euro

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Vorzugsausgabe  

Nr. 1 bis 100, von Jürgen Brodwolf auf dem eingebundenen Beiblatt signiert, eine signierte Originalradierung beiliegend, Abbildungen unterhalb. 

178,00 Euro

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Leseprobe aus dem Erinnerungstext von Jürgen Brodwolf

Vogelbach spielt eine wichtige Rolle in meinem Leben mit all den vielen Problemen und Glückserfahrungen, und natürlich auch die Umgebung, dieser Ort mit wenig Häusern und stets denselben Menschen und dem Heranwachsen der Kinderschar, die dann die anderen Kinder des Dorfes anlockte. Was mich jetzt immer bewegt, wenn ich darüber nachdenke, wie ich das ausgehalten habe: Dieses Pfarrhaus, wo ich am Anfang mit meiner Frau Adelheid und dem kleinen Sohn Martin in zwei abgeschrägten Speicherzimmern lebte. Dann begann ich für das nächste und übernächste Kind mit Dachlatten ein Bett zu zimmern, natürlich übereinander. Im Sommer war es wahnsinnig heiß und im Winter extrem kalt, am Morgen konnte man mit den Fingernägeln die Eiskrusten abkratzen. Wir gebrauchten damals auch noch Holzöfen, darin wurden flache, mehr oder weniger runde Steine aus dem Rhein, so groß etwa wie Fladenkuchen, erhitzt. Jedes Kind hat dann, wenn man Schlafen ging, den eigenen Stein, der ziemlich heiß war, mit ins Bett genommen. Da war noch etwas anderes, man könnte sagen, es hatte einen gewissen Flair von Romantik, so wie man sich die früheren Jahrhunderte vorgestellt hat. Der Weg vom Tal in dieses Dorf hinauf war noch nicht asphaltiert. Es gab lange Winter mit viel Schnee, da ist man von oben bis unten durchgerodelt, hat manchmal Besucher oder Gäste vorne auf dem Schlitten mitgenommen und sauste in die Tiefe.

 

Leseprobe aus dem Essay von Adolf Muschg

 

Brodwolf hat eine Neigung zu schriftlichen Denkmälern in unserer Trümmergegend. Es gefällt ihm, mit bereits Vor-Geschriebenem zu spielen, es zu ver-zeichnen, eigensinnig zu behandeln, ihm etwas zuzufügen: Stiche mit dem Punzeisen, Asphaltspuren, Brandflecke. Als Zeichner verzichtet er auf dieses Instrumentarium. Die Spitze des Stifts, des Pinsels muß es allein tun; was sie bezeichnet, wird sich finden. Sie benötigt keinen Widerstand als die Leere des Papiers – das ist die größte mögliche, darum beflügelt er die Kunst ebenso, wie er sie beschwert. Und siehe da: je gelöster, „absoluter“ die zeichnende, die führend-geführte Hand sich rührt, desto konkreter produziert sie Erinnerungen. Was sich an Linien und Flecken zusammenfindet, enthüllt einen Anthropomorphismus, der mit redlichem Gegenstandsbezug und kunstvoller „Nachahmung“ nicht zu erreichen wäre. Die Leere, in Freiheit aufgedeckt, ist „inwendig voll Figur“ (Jacob Boehme); und die Wahrheit dieser Figuren kümmert sich nicht um die Vorurteile und Urteile, die Kategorien und Alternativen, mit denen wir uns die Wirklichkeit handlich zu machen pflegen. Was an eine Grabstätte erinnert, erinnert zugleich an eine Paarung, der Embryo an einen Engerling, die Pietà an eine Fellatio. Die Beziehung ist verwirrend, verstörend, eine Provokation – das ist der Beweis dafür, daß sie konkret ist. Brodwolfs Werkzeug mag sich frei bewegen, wie es will: es ist ihm eine hartnäckige Erinnerung an das Leibhaftige eingepflanzt; und das Leibhaftige ist immer beides: vieldeutig und konkret. Wenn er den Schriftsatz einer Akte umrundet, die Lücken eines Briefes aus-zeichnet: plötzlich meinen wir Innereien zu sehen, wucherndes Eingeweide: ist das nicht der Bauch, aus dem jener Brief geschrieben wurde? Oder können wir das unheilbare Leiden mit Händen greifen, von dem in jener Akte nicht die Rede war?

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